Anfang der 1980er Jahre begann die Breakdancebewegung auch in der DDR Fuß zu fassen. Heiko Hahnewalds Privatsammlung gibt Einblick, wie Breakdance als elementarer Teil der Hip-Hop-Kultur unter den spezifischen Bedingungen des Landes gelebt wurde und sich nach 1990 weiterentwickelte.
Breakdance ist neben DJ-ing, Rap und Graffitikunst ein zentraler Bestandteil der Hip-Hop-Kultur, die Anfang der 1970er Jahre in den USA entstand und durch einen transnationalen Kulturtransfer Jugendliche rund zehn Jahre später auch in der DDR erreichte. Sie praktizierten Hip Hop als eine autonome Kultur mit hohem subversiven Potential. Lokale Autoritäten beobachteten diese Entwicklung erst skeptisch, tolerierten sie aber und vermochten es, einen Teil der Breakdancebewegung institutionell einzubinden und durch verschiedene Formen der Förderung besser zu kontrollieren. Dennoch gelang es den Breakdancern dabei - Leonard Schmieding in seiner grundlegenden Untersuchung über den Hip Hop in der DDR zufolge - ihre eigenen Interessen zu wahren. Und trotz aller aus einer afro-amerikanischen Kultur erwachsenen anti-imperialistischen Codes blieben insbesondere den Organen der Staatssicherheit die meisten Bilder und Symbole der Hip-Hop-Kultur fremd. Mit ihrer Ikonographie brachen viele Hip Hopper imaginär aus der DDR aus, im Rap verarbeiteten sie ihre Unzufriedenheit mit dem "real existierenden Sozialismus". Heiko Hahnewald war Anfang der 1980er Jahre einer der ersten Breakdancer des Landes. 1987 erhielt er eine Einstufung als Solist, später auch die Lizenz zum freiberuflichen Tanzen. Ihm und seiner "Break Crew" vermittelte das staatlichen Kreiskulturzentrum Meißen viele Aufträge. In seiner Sammlung wollte Hahnewald zunächst nur eigene Erinnerungen aufbewahren. Der Bestand wuchs durch Übernahmen weiterer Dokumente von befreundeten Breakdancern schnell zu einer der größten zusammenhängenden Archive zur Breakdancebewegung in der DDR. Persönliche Überlieferungen der ehemals Beteiligten geben oftmals als einzige die Möglichkeit, die fluiden performativen Akte der Hip-Hop-Kultur in ihrem Zusammenspiel zu erfassen. Deswegen wurde die Privatsammlung Heiko Hahnewald bereits für mehrere Ausstellungs-, Film- und Publikationsprojekte konsultiert.
Inhaltsbeschreibung
Die Dokumente und vor allem Alltagsgegenstände aus der Sammlung vermitteln einen sehr guten Eindruck über die Lebens- und Vorstellungswelten der Breakdancekultur in der DDR, wie sie praktiziert und sich die Räume autonom angeeignet wurden. Sie bezeugen ebenso das ambivalente Zusammenspiel mit den verschiedenen staatlichen Akteuren und Kulturfunktionären. Ein ganz besonderes Archivstück ist der Auftrittskalender von "Hahnys Break Crew". Die von Heiko Hahnewald gesammelten Dokumente liegen größtenteils bereits in digitaler Form vor.
Thomas Mania (Ed.). 2015. Styles. HipHop in Deutschland. (Katalogbuch zur gleichnamigen Ausstellung im Rock'n'popmuseum), Münster: Telos.
Leonard Schmieding. 2014. "Das ist unsere Party." Hip Hop in der DDR. Stuttgart: Steiner.
Ulrich G. Großmann (Ed.). 2013. Aufbruch der Jugend. Deutsche Jugendbewegung zwischen Selbstbestimmung und Verführung. Nürnberg: Germanisches Nationalmuseum.
AutorIn des Eintrags
Sonnenberg, Uwe
Literaturverzeichnis
Hahnewald, Heiko "Hahny", interview by Sonnenberg, Uwe, August 09, 2016. COURAGE Registry Oral History Collection