Der Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes und die Niederschlagung des "Prager Frühlings" schockten Brigitte Reimann. In gleichem Zuge verlor sie ihr Vertrauen in die DDR-Führung. In ihr Tagebuch notierte Reimann am 21. August 1968:
Hoy[erswerda], 21. August 68.
Truppen der SU und von 5 Pakt-Staaten haben die CSSR besetzt. Ein Schock. Den ganzen Vormittag klingelte das Telefon, Anrufe von allen möglichen Leuten, die erschreckt, verstört waren. Habe den ganzen Tag am Radio gesessen und die Nachrichten gehört. DDR-Sender berichteten nichts, verlasen nur immer wieder die TASS-Erklärung und den SED-Aufruf an die Bürger, verlogenes Geschwätz von Freundschaft und Bruderhand und Liebe zum tschechischen Volk – während in Prag und Pilsen und allen großen Städten der CSSR die Panzer rollen. Wieder mal deutsche Uniformen in Prag. Dubcek und die führenden Leute sind verhaftet oder verschleppt, wer weiß, man erfährt nichts über ihr Schicksal. Und welche Hoffnungen haben wir auf das „Modell“ CSSR gesetzt! Unfaßbar, daß immer noch, immer wieder mit diesen Methoden des Stalinismus gearbeitet wird. Angeblich gibt es in der DDR eine „Flut von Zustimmungserklärungen“. Wir sind so erbittert – kein Vertrauen mehr (falls wir jemals diese Sorte „Vertrauen“ hatten. Geplante Reise nach N[eubrandenburg] aufgeschoben, bin wie gelähmt.