COURAGE
connecting collections

×
Zivilcourage: Samisdat als Mittel bürgerlichen Widerstands in der Ära des Sozialismus

Zivilcourage: Samisdat als Mittel bürgerlichen Widerstands in der Ära des Sozialismus

Das vorliegende Curriculum beschäftigt sich mit Samisdat-Publikationen und ihrer Bedeutung für das Gebiet des sozialistischen Blocks (der Sowjetunion sowie der Länder Mittel- und Osteuropas) von den 50er bis zu den 80er Jahren. Der Begriff umfasst politische und literarische Werke, die im Selbstverlag veröffentlicht wurden, um die Zensur des Regimes zu umgehen. Er wurde vom russischen Dichter Nicholas Glazkov geprägt, der das Konzept Samisdat durch die Zusammensetzung der russischen Wörter [sam], dt.: selbst, und [izdat], dt.: publizieren, entwickelte. Die totale Herrschaft über die Medien als Hauptziel des Einparteiensystems

Kompetenzerwartungen im Lehrplan

Im Kursverlauf sollten die SchülerInnen:

  • lernen mit Literatur und Terminologie adäquat umzugehen;
  • Ereignisse in einen räumlichen und zeitlichen Kontext einordnen können;
  • Faktoren analysieren, die für die Entwicklung der Ereignisse maßgeblich waren;
  • Wissen nach dem Ursache-Wirkung-Prinzip organisieren (anhand von Beispielen, die den Stellenwert der individuellen Lebenssituation bei der Entscheidungsfindung beschreiben);
  • das Vermögen entwickeln, zwischen wesentlichen und weniger wichtigen Aspekten unterscheiden zu können;
  • auf der Grundlage des Erlernten eigenständige Fragestellungen formulieren und
  • mithilfe der Courage-Datenbank die Forschungsmethoden kennenlernen.

by Károly Kiss

Die Herausgeber der Samisdats und die Dimensionen der Freiheit

Zu jener Zeit waren in der Region nahezu alle Lebensbereiche (einschließlich der geistigen) vom Totalitarismus des Einparteienstaates reglementiert. Von Polen und der DDR über Ungarn bis hin zu Bulgarien wurden Kommunikationskanäle, die den einzigen Zugang zu fremden kulturellen Werken und Innovationen bildeten, kontrolliert. Die strikte Überwachung des gesamten staatlichen Rundfunk- und Pressebereichs führte letztlich auch zur Selbstzensur: einem Sprachgebrauch und einer eingeschränkten Kommunikation, die im Einklang mit der staatlichen Ideologie war. Die offiziellen Medien lieferten eine speziell für die jeweilige Zielgruppe konzipierte Propaganda. Die wichtigsten Redakteure wurden von der Staatspartei ernannt, um so die Kontrolle über das gesamte Kultur- und Geistesleben in der Region zu behalten. Eine detaillierte Beschreibung dieser Prozesse befindet sich in unserem Lehrmaterial über die Funktionsweisen von Zensur und Selbstzensur.[1]

[1] Erste Aufgabe: Befrage deine Familie, den Bekanntenkreis, deine Eltern oder Großeltern, was sie während des Sozialismus angeschaut, gelesen bzw. gehört haben und welche Kulturveranstaltungen sie damals besuchten. Wenn du die Aufgaben in der Klasse oder im außerschulischen Kontext bearbeitest, erforsche das kulturelle Netzwerk, dass das Leben dieser Generationen bestimmte.

Die Herausgeber der Samisdats fanden einen Weg, demokratische Werte, geistig-schöpferische Arbeit sowie alternative Kulturpraktiken über den kontrollierten Raum hinaus zu vermitteln. Das Samisdat[1] wurde – dem System zuwider – von Menschen erschaffen, die sich für das Recht auf freie Meinungsäußerung einsetzten. Samisdat kann als Reaktion auf ein historisch-politisches Ereignis verstanden werden (wie der Aufstand in der DDR 1953, die Niederlage des ungarischen Volksaufstandes im Jahr 1956, die Prager Invasion von 1968, die Studentenbewegung der 68er, die Solidaritätsbewegungen der 80er, etc.) oder auch als Folge lang anhaltender Unterdrückung (das Ceaușescu-System in Rumänien, die Honecker-Ära in der DDR oder auch die Ära Kádár in Ungarn). Es war das Ergebnis reiflicher Überlegungen eines Individuums, seiner Nachforschungen oder gar persönlicher Konversationen. Ferner entwickelte eine Person, die unter Diktatur lebte, den Glauben, dass diese Werte wichtiger seien als ein Leben in Frieden.[2]

Samisdats ermöglichten es, eine dem Regime entgegengesetzte Meinung zu äußern und die Werte, für die der Autor einsteht, auszudrücken. Auf diese Weise wurde die Voraussetzung für die Entstehung einer kritischen Alternativkultur geschaffen. Die Samisdat-Schriften ebneten den Weg für autonome geistige Schöpfung. Im näheren kulturellen Umfeld (Subkultur) genossen Sie eine Art Prestige und stärkten außerdem auch das Gemeinschaftsgefühl.

[1] Unter http://cultural-opposition.eu/courage/display/n12768 findest du eine Beschreibung zur Ausstellung, die das Thema ausführlich behandelt, sowie auch eine Publikation, die mithilfe des Ausstellungsmaterials erstellt wurde. Die Sammlung der kroatischen Archive, die in Verbindung mit Samisdats stehen, sind unter http://cultural-opposition.eu/courage/display/n175 abrufbar; auf http://cultural-opposition.eu/courage/display/n12378 befindet sich das Material zur tschechischen Zeitschrift Vokno und unter http://cultural-opposition.eu/courage/display/n3976 kannst du die Verfügbarkeit tschechischer und polnischer Samisdats überprüfen. Auf der Webseite können auch andere Samisdat recherchiert werden.

[2] Begründe anhand von Beispielen aus dem Leben der Herausgeber und Verfasser der Samisdat-Schriften in deinem Land, wie es zu dieser Entscheidung kam; vgl. hierzu auch die private Sammlung von Gábor Klaniczays unter http://cultural-opposition.eu/courage/display/n42006 und http://cultural-opposition.eu/courage/display/n27190.

 

Sie nahmen bei der geistigen Subkultur einen viel größeren Stellenwert ein als in der bestehenden Mehrheitskultur. Es verwundert daher nicht, dass die Vertreter des Regimes den Samisdats besondere Aufmerksamkeit widmeten; schließlich bereiteten die Schriften den Boden für die Entwicklung einer politischen Widerstandskultur – die es bis dato nicht gegeben hatte. Samisdats kritisierten die bestehenden Zustände. Sie störten die Kommunikationspraktiken des Parteistaates, der alles zu dominieren versuchte, und schufen eine Art sekundäre Öffentlichkeit, in der man die Schere im Kopf überwinden und seine Meinung nach außen tragen konnte.

Das Verhältnis des Parteistaates zum Samisdat

Die Reaktionen des Parteistaates auf das Samisdat-Phänomen variierten je nach Zeit und Ort. Im Stalinismus und dem darauf folgenden Jahrzehnt wurden die Herausgeber der Samisdats in der gesamten Region aktiv verfolgt – bis hin zu ernsthaften Vergeltungsaktionen. In den 70er und 80er Jahren verliefen die Maßnahmen gegen widerständige Ideen etwas moderater, und die Erscheinungsformen dieser Ideen hielten zunehmend Einzug in den Alltag. Da die sozialistischen Staaten eine friedliche Koexistenz mit dem Kapitalismus propagierten, verfolgten die Regime eine behutsamere Politik. Man verzichtete auf die brutale Repression, um die positive Einstellung des Westens gegenüber dem System nicht zu gefährden. In Ungarn, zum Beispiel, wurde exzessive und blutige Polizeigewalt in der zweiten Hälfte der 80er Jahre zur Seltenheit (wohingegen sie in den 70er Jahren in allen Ländern der Region stetig präsent war).

Es sei darauf verwiesen, dass Umfang, Publikum und Stellenwert der Samisdats in der Region erheblich variierten. Diese Faktoren hingen vom Grad der Repression, der vorherrschenden Haltung gegenüber Andersdenkenden und der Höhe der Auflage der Samisdats im jeweiligen Staat ab. So wurde in Ungarn die meistgelesene Samisdat-Zeitung Beszélő (dt. Sprecher) in einer Auflage von 2000 Exemplaren herausgegeben, wohingegen in Polen von der Zeitung The Solidarity 500 000 Kopien veröffentlicht wurden. Zur gleichen Zeit betrieben DDR, die Tschechoslowakei und Rumänien bis zu den letzten Zügen des Einparteiensystems knallharte kommunistische Repressionspolitik.

Welche Maßnahmen wurden üblicherweise von den Parteistaaten gegen die Herausgeber der Samisdats ergriffen?

Die Herausgeber der Samisdats lebten unter Überwachung und waren ständiger Verfolgung und Polizeischikane ausgesetzt (So mischten sich z. B. Einsatzteams von zehn bis zwölf Personen Tag und Nacht in ihr Leben ein und hörten Ihr Zuhause und die Telefone ab, während Geheimagenten, die zum Schein mit ihnen befreundet waren, Berichte über sie schrieben). Zur Einschüchterung sorgte man dafür, dass sie wegen Bagatelldelikten (wie z. B. Beleidigungen, Verhetzungen, Schlägereien, angeblich unerlaubtem Aufhalten, etc.) vor Gericht landeten. Es war schließlich einfacher die überwachte Person als gewöhnlichen Kriminellen zu verurteilen, als in einem politischen Fall gegen sie zu ermitteln. Gábor Demszky zum Beispiel wurde zu einer sechsmonatigen Haftstrafe verurteilt und auf diese Weise für drei Jahre vom Amt suspendiert. Man nutzte die Beeinträchtigung der persönlichen Lebensumstände als Instrument, mit dem man die Opposition schwächen wollte: Denjenigen, die Samisdats schrieben oder veröffentlichten, drohte der Arbeitsplatzverlust oder ein regelmäßiges Verhör bei der Polizei. Sie durften keine Reisepässe besitzen. Ihre Rechte wurden mit verwaltungstechnischen Mitteln eingeschränkt. Sie konnten sogar dazu gezwungen werden, sich einer psychiatrischen Behandlung zu unterziehen.

Für den Parteistaat waren die Samisdat-Schriften eine Bedrohung, da sie die politische Meinungsbildung beeinflussten. Die auf diese Weise entstandene autonome politische Kultur ebnete den Weg für langfristige politische Alternativen. Dies war auch der Grund, warum man dem Thema, das einen engeren Intellektuellenkreis betraf, höchste Aufmerksamkeit widmete. Da das Regime es letztendlich nicht schaffte, die widerständigen Aktivitäten zu unterdrücken, versuchte man die Opposition und die sekundäre Öffentlichkeit zu spalten und in ihrer Handlungsfreiheit einzuschränken. Auch wurde die Möglichkeit geboten mit dem Regime eine Vereinbarung zu treffen: Diejenigen, die nicht für ausländische Publikationen oder Samisdats schrieben, hatten eine größere Chance ihre Schriften legal zu veröffentlichen. Diese zwiegespaltene Methode oder auch „Salamitechnik“, wie sie zu jener Zeit genannt wurde, führte letztlich zur Selbstzensur anstelle der staatlichen. Selbstzensur bedeutete die Verinnerlichung von Tabus (Themen und Fragestellungen, die von der Partei verboten wurden). Auf diese Weise konnte eine Verbindung zwischen dem Regime und der intellektuellen Elite aufgebaut werden, um den Anschein von Pluralismus und eines in der Öffentlichkeit bestehenden intellektuellen Diskurses aufrechtzuerhalten.

Das waren die Umstände, gegen die man in Samisdat-Kreisen in jedem Land zu kämpfen hatte, um einen nonkonformistischen Lebens- und Arbeitsstil ohne Selbstzensur zu erzielen. Die Schaffung einer sekundären Öffentlichkeit war der Grundstein für die Opposition. Gleichzeitig musste man sich aber auch darüber im Klaren sein, dass es eine überschaubare Bewegung bleiben würde, da ihr Werk die breiten Massen nicht erreichte. Denn nur ein Wohlstandsgefälle und die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation konnten den Weg ebnen von der allgemeinen politischen Moral hin zu einer neuen Alternative.

Die technischen Hintergründe der Samisdat-Schriften

Um Samsidats zu veröffentlichen, musste eine technische Infrastruktur geschaffen werden, die den gesamten Vorbereitungs-, Schaffens- und Vertriebsprozess umfasste; und zwar ungeachtet der Tatsache, dass die Partei versuchte die Herstellung zu stoppen oder zu behindern.

Samisdats existierten in Form von Zeitungen, die handschriftlich dupliziert sowie auch Publikationen, die mithilfe von Kohlepapier, Schreibmaschine und Mimeograf hergestellt wurden; manchmal wurden sie auch in einer Druckerei vervielfältigt.[1]

http://cultural-opposition.eu/courage/display/n1230

Ursprünglich wurden sie, neben den handschriftlichen Kopien, mittels Schreibmaschine und Indigo-Farbstoff erstellt. Um die Herausgeber zu identifizieren, versuchte das Regime den Entstehungsprozess zu kontrollieren, indem es Proben von Schrift und Durchschlagskraft der Schreibmaschinen sammelte. Später wurden Mimeografen  eingesetzt, um die Publikationen zu vervielfältigen. Diese beschleunigten den Produktionsprozess. Zunächst wurde die Textgrundlage mit einer Schreibmaschine vorbereitet, um anschließend mithilfe von Tinte und Mimeograf, der mit einer Handkurbel betrieben wurde, die Kopien anzufertigen.

Das Siebdruckverfahren war eine weitere typische Methode, in der man sich die sogenannte „Ramka-Technik“ aneignen musste, mittels der man von einer Matrize, die über einen Rahmen gespannt wurde, Kopien anfertigte. Keller und Speicher abgelegener Landhäuser wurden genutzt, um den Umgang mit einfachen Werkzeugen (Siebdruckrahmen, -gewebe und -tinte, Farbspachtel, Schablonenpapier, Nagler, etc.) zu erlernen. Die Qualität der Drucke ließ eher zu wünschen übrig. Wegen der Inhalte wurden jedoch auch schwer leserliche Texte verkauft. Die Technik war von Polen bis nach Ungarn verbreitet. Die aus dem Westen geschmuggelten Offset- und Vervielfältigungsgeräte, das Papier sowie die Tinte hatten einen sehr hohen materiellen Wert.

In den 80ern gab es Fälle, in denen die Polizei versuchte, die Gruppe hinters Licht zu führen, indem sie Gruppenmitgliedern das Druckwerkzeug schenkte, um so z. B. die Personenzahl herauszufinden. Oftmals wurden diese „Geschenke“ von den Aktivisten dankend angenommen (z. B. in Form von Papier oder Tinte, das angeblich gestohlen wurde, jedoch in Wahrheit von der Polizei stammte); die Verbindung zu der Quelle, von der die Geschenke stammten, wurde in der Regel jedoch schnell wieder abgebrochen und die Werkzeuge im Druckverfahren eingesetzt.

Konspiration war erforderlich, um die Schritte der Aktion, die für Produktion, den Schreibprozess und die Lagerung der Samisdats nötig waren, heimlich zu organisieren. Schließlich konnte man in jeder Phase des Prozesses scheitern und musste sich stets vor Augen halten, dass das Regime einen aufdecken und jederzeit zurückschlagen konnte. Daher wurden Aufgaben innerhalb der Gruppen aufgeteilt und große Anstrengungen unternommen, um der Kontrolle der Machthaber zu entgehen.

Der Entstehung der Samisdats gingen oft eine freie Vorlesung oder freie Konversationen  zwischen den Intellektuellen voraus. Die dabei entstandenen Konzepte wurden später von den Oppositionsparteien niedergeschrieben. Die Gruppen standen schon unter Beobachtung und Geheimagenten schrieben bereits Berichte über ihre Aktivitäten. Der Prozess ist in Bildern dokumentiert und kann über die Courage Datenbank auf der Seite von Mozgó Világ recherchiert werden: https://mozgovilagfmc.tumblr.com/.

Die Texte wurden zu Beginn unter einem Pseudonym verfasst oder mit einem Code versehen, da diejenigen, die in bestimmten Positionen tätig waren, mit Vergeltungsmaßnahmen rechnen mussten. Einige der Texte erschienen später unter dem echten Namen des Autors (in Ungarn seit 1978). Nach der Samisdat-Produktion konnte der Vertrieb problematisch sein und erforderte, um erfolgreich zu verlaufen, Vertraulichkeit und Konspiration. Die Schriften wurden in sogenannten Samisdat- Boutiquen verkauft: Es handelte sich dabei in der Regel um Wohnungen; sie konnten aber genauso gut in einen Arbeitsort, eine Bibliothek oder Hochschule integriert sein. Wurde man erwischt, führte dies zu einer Hausdurchsuchung, in der mit Beachtung aller Formalitäten Manuskripte, Texte und Bücher konfisziert wurden. Die beschlagnahmten Texte wurden in Gegenwart von amtlichen Zeugen Seite für Seite registriert, sodass die Polizei im Nachhinein nichts mehr in sie notieren oder kompromittierendes Material hinzufügen konnte. Der Vertrieb erfolgte ebenso anonym und die Kundennamen wurden als Initialen oder Pseudonyme eingetragen. Da die Nachfrage in intellektuellen Kreisen groß war, konnte man durch den Verkauf ein bescheidenes Leben führen. Eine amtliche Durchsuchung bedeutete allerdings finanzielle Verluste sowohl für die Herausgeber als auch die Händler.[2]

[1] Finde in der Datenbank für jede Samisdat-Produktionsform ein Beispiel aus den Materialien über ihr eigenes Land und der Länder in der Region. Bereite eine Präsentation vor und stelle die Ergebnisse in der Klasse vor.

[2] Dabei war es möglich, die politische Tat in eine presse- und meinungsbezogene Straftat allgemeinen Charakters umzuwandeln.

Die Themenschwerpunkte der Samisdat-Publikationen

Das Genre der Samisdat-Schriften reichte von kurzen Dissertationen über revidierte politische, soziologische und philosophische Studien bis hin zu ganzen Romanen und Abhandlungen. Es wurden rund 16 Kategorien geschaffen. Von Nachrichten bis hin zur Pornografie war alles mögliche vertreten. Hinsichtlich des Inhalts können drei Hauptkategorien unterschieden werden: 1) Jene die marxistische Themen behandelten 2) Texte über liberale Themen und Menschenrechte und zuletzt 3) patriotische und nationalistische Texte. Am Ende der sozialistischen Ära wurden vor allem National- und Menschenrechtsfragen thematisiert.

Behandelt wurden außerdem politische Ereignisse und Inhalte, die von den Machthabern tabuisiert worden: so z. B. Meinungen über die ungarische Revolution von 1956, die Charta 77, Solidarität, usw. Es erschienen außerdem Themen über Religion, Armut, soziale Ausgrenzung, nationale Fragestellungen, die Situation der Frauen und Minderheiten, politische Alternativen und Konzepte unterschiedlicher Denkweisen. Die Bildung einer oppositionellen Solidarität und Gemeinschaft wurde ebenso diskutiert, was das Regime immer mehr in Verlegenheit brachte. Aus diesem Grund entschied das Zentralkomitee der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei 1984 die öffentliche Wirksamkeit ‚kleiner aber einflussreicher politischer Oppositionen‘ einzuschränken. Die Aktivitäten in Samisdat-Kreisen wurden von acht Personen aus dem Zentralkomitee überwacht, was darauf schließen lässt, welche Bedeutung dem Problem beigemessen wurde. Die Samisdat-Literatur konterte mit Studien über das Schicksal der Sowjetunion und anderer sozialistischer Länder sowie auch über die Wechselbeziehung zwischen Justiz und staatlicher Sicherheit. Führende Politiker wurden kritisiert. Es gab umfangreiche Diskussionen über Zensur und Selbst-Zensur, die konformistische Einstellung Intellektueller und Kritik an den kontroversen Bemühungen des Regimes.

Zusammenfassung

Das Samisdat-Phänomen leistete einen entscheidenden Beitrag zum politischen Pluralismus in den sozialistischen Staaten nach den 70er Jahren, und der Opposition gelang es, eine sekundäre Öffentlichkeit zu schaffen. Mit ihrer Zivilcourage hatte die Widerstandsbewegung bewiesen, dass es trotz der totalen Parteidominanz autonome Gruppen und Intellektuelle gab, die für demokratische Werte eintraten und für ihre Meinungsäußerung Vergeltungsschläge in Kauf nahmen.

Samisdat Spiel I

Zeitrahmen: Wenn die Aufgabe außerlehrplanmäßig bearbeitet wird, kann je nach Anzahl der TeilnehmerInnen eine Woche oder länger dafür eingeplant werden .

Spielregeln: Das Spiel sollte nur im Unterricht unter Aufsicht der Lehrperson gespielt werden und es dürfen nur diejenigen, die daran teilnehmen, eingeweiht werden. Gewalttätiges Verhalten ist nicht erlaubt und Sie müssen ehrlich zueinander sein. Wenn du erwischt wirst, musst du notieren, wann und wie es dazu kam.

Stellen dir vor, du wärst mit etwas unzufrieden (Beschriften sie Karten mit Begriffen wie z. B. Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Unterdrückung, Demokratiedefizit, Religionsfreiheit, Einparteiensystem, Geschlechterdiskriminierung, etc.).

Du möchtest gerne jeden mit dem Problem auf deiner Karte bekannt machen. Beschreibe das Problem in drei Sätzen und flüstere es der Person neben Ihnen ins Ohr. Diese sollte die Informationen flüsternd an die nächste Person weitergeben. Die letzte Person in der Runde berichtet über das Gesagte, du prüfst die Richtigkeit und wiederhole deine ursprüngliche Aussage.

Das Spiel ist ein gutes Beispiel dafür, wie verbale Kommunikation Informationen, die mit der Problematik in Verbindung stehen, verzerren kann.

Erstelle anschließend noch eine Karte und denke darüber nach, wie Sie die exakte Information am besten übermitteln könnten.

Die Lehrperson verkörpert das Regime und hat das Recht Rucksäcke, Schreibtische und Jacken zweimal pro Woche, in der das Spiel stattfindet, zu einem unerwarteten Zeitpunkt zu kontrollieren. Wenn der/die Schüler/in erwischt wird, ist er/sie raus aus dem Spiel.

  • Schreibe deine Idee für jeden der TeilnehmerInnen auf (Du hast eine Woche Zeit, darfst allerdings nur in der Schule daran arbeiten und die anderen SchülerInnen müssen Sie beobachten). Wenn du erwischt wirst, hast du verloren.
  • Bitte die anderen SchülerInnen, dir dabei zu helfen, Kopien zu erstellen. Wenn der Lehrer entdeckt, dass du etwas vervielfältigst, bedeutet das wohl, dass jemand dich verraten hat und du bist raus. Je mehr SchülerInnen involviert sind, desto mehr Punkte erhälst du (Diskutiere zum Schluss die ideale Teilnehmerzahl).
  • Wenn du von jemandem bei einem Gespräch über das Thema erwischt wirst, hast du verloren. Denke darüber nach, ob eine konspirative Besprechung des Themas sinnvoll wäre.
  • Versuche am Ende der Woche deine Ideen in der Schule zu verbreiten. Wenn du beim Verteilen der Flyer erwischt werden, hast du das Spiel verloren.
  • Finde heraus, wie viele SchülerInnen in der Spielzeit bzw. pro Monat/Woche verloren haben und ob sie aus den Fehlern der anderen gelernt haben. Überlege auch, welche Techniken du während der Produktion und Verteilung angewandt hast.

Nutze nach der Diskussion die COURAGE Datenbank und finde Bezüge zwischen Spiel und Realität.

Samisdat Aufgabe II.

Arbeitsrahmen: Außerlehrplanmäßige Aktivität

Der Spielablauf: Bilden Sie Dreiergruppen. Jeder sollte sich ein Jahrzehnt aussuchen (der genaue Rahmen wird von der Lehrperson bestimmt, da er von Land zu Land variieren kann).

Die Gruppen sollten eine SWOT-Analyse des Samisdat-Mediums vorbereiten (‘Strengths’ dt. Stärken, ‘Weaknesses’ dt. Schwächen, ‘Opportunities’ dt. Chancen und ‘Threats’ dt. Risiken): Warum ist die Herausgabe sinnvoll? Was sind die Risiken und auf wen kann man sich verlassen? Was droht den Urhebern? Bereite nach Abschluss der SWOT-Analyse eine Präsentation vor, stelle die betreffenden Zeiträume vor und entscheide, ob du ein Samisdat herausgeben würdest und, wenn ja, wie würdest du dabei vorgehen?

Samisdat Aufgabe III.

Recherchiere im Rahmen ihrer außerschulischen Aktivitäten in der Datenbank nach mindestens drei Samisdat-Schriften und drei Personen aus dem betreffenden Zeitraum. Erstelle mithilfe des Forschungsmaterials und der Daten eine Präsentation. Untersuche auf Grundlage von historischen Fakten die gemeinsamen Merkmale der verschiedenen Zeiträume sowie auch die Wirkung, die sie in jedem der Jahrzehnte entfalteten.