Ziel dieser Unterrichtseinheit ist es, die Rolle der Religionsgemeinschaften im kulturellen Widerstand gegen den Sozialismus aufzuzeigen. Es werden komplexe und vielseitige Prozesse beschrieben, mittels derer das Regime Glaubensgemeinschaften kontrollierte, verfolgte und in ihrem Handeln einschränkte. Dabei sollen nicht nur die Lebensbedingungen und die Kollaboration dieser Gemeinschaften mit dem Staat illustriert werden, sondern auch die Art und Weise, wie sie sich den Restriktionen widersetzten. Der Schwerpunkt liegt auf den christlichen Hauptkonfessionen, wobei auch kleinere Gemeinschaften berücksichtigt werden.
Konzepte:
- atheistische Ideologie
- verschiedene konfessionelle Ausprägungen des Christentums: die orthodoxe Kirche, die evangelisch-lutherische Kirche, die römisch-katholische Kirche, der Calvinismus
- Orden (in der katholischen Kirche): Mönche und Nonnen
- Friedensbewegung
- Vatikan, der Heilige Stuhl
- religiöse Samisdats
- Basisgemeinschaft
- religiöse Bewegungen
- „Sekten“ (abwertende Bezeichnung neuer religiöser Bewegungen)
- Patriarchate
- Ostpolitik des Vatikans
Kompetenzen:
Im Kursverlauf sollten die SchülerInnen:
Wissen:
- die komplexe Bedeutung der antireligiösen Ideologie für die Politik der sozialistischen Regime verstehen sowie auch die koordinierende Rolle der Sowjetunion bei der Umsetzung der antireligiösen Politik im gesamten Ostblock erkennen können;
- die Variationsbreite der Strategien nachvollziehen und sie in einen räumlichen und zeitlichen Kontext einordnen können;
- Zusammenhänge zwischen antireligiösen Tendenzen und anderen sozialen sowie historischen Gegebenheiten verstehen;
- mit den verschiedenen Strategien des Regimes gegenüber religiösen Gemeinschaften vertraut gemacht werden, insbesondere den typischen Verfolgungs-, Kontroll- und Restriktionstendenzen;
- die Kollaborations- und Widerstandspraktiken religiöser Gemeinden kennenlernen;
Einstellungen:
- eine umfassende Analyse religiös motivierter Kulturoppositionen und antireligiöser Strategien des Regimes durchführen können;
- Religionsfreiheit als grundlegendes Menschenrecht sehen;
- für Beispiele des Widerstands gegen Kontrollmaßnahmen, Restriktion und Verfolgung sensibilisiert werden, gleichzeitig aber auch das komplexe Wechselspiel von Kollaboration und Widerstand kritisch hinterfragen können;
Fertigkeiten:
- dazu in der Lage sein, über religiösen Widerstand im eigenen Land zu recherchieren;
- verschiedene Situationen im Bereich der religiös motivierten Kulturopposition vergleichen können;
- religiösen Widerstand in den Bereich der kulturellen Opposition einordnen können;
- vor Ort nach Informationen aus der eigenen Umgebung suchen und sie in den Kontext kultureller/religiöser Opposition einbetten sowie auch
- verschiedene Interpretationen und Standpunkte gegenüber religiösen Gemeinschaften kritisch untersuchen können.
Religion, Kirchen (Gemeinschaften) und das Regime
„Religion ist das Opium des Volkes“ ist einer der meist zitierten Sätze von Karl Marx – wenn auch oft unvollständig und unter Missachtung des Kontextes übernommen. Marx untersuchte, wie sich Religion als Ideologie auf die Akzeptanz der hierarchischen Strukturen in einer Gesellschaft auswirkte. Später diente seine Theorie als ideologische Rechtfertigung für die Repressionspolitik der sozialistischen Regime gegenüber Religion und Kirche. Mit der atheistischen Ideologie wurde wohl der Grundstein für eine Politik gelegt, die Religion als störendes Element bei der Errichtung der sozialistischen Gesellschaft betrachtete. Andererseits ist diese Politik nicht nur aus einer Ideologie heraus entstanden, sondern hing auch mit sehr komplexen historischen und sozialen Umständen zusammen. Einige dieser Faktoren waren:
- der Einfluss der Sowjetunion und ihrer antikirchlichen Politik (im Falle Rumäniens: Aufbau einer guten Beziehung zur orthodoxen Kirche);
- der erhebliche gesellschaftliche und politische Einfluss sowie große Besitztümer bestimmter Kirchen vor 1945 (Verstaatlichung des Kirchenguts wegen eines sozialistischen Wirtschaftssystems, das nach den Prinzipien der Vergesellschaftung aufgebaut war);
- die Bestrebung ideologische Denkmuster gewöhnlicher Menschen (insbesondere der Arbeiterklasse) zu beeinflussen;
- der Bedarf an einer neuen linientreuen Elite, etc.
In unterschiedlichen zeitlichen und örtlichen Kontexten kamen diverse Strategien im Umgang mit Religion und Kirche zum Einsatz. Es ist daher nicht möglich nur ein einziges Verfahren zu ermitteln, das stellvertretend für die ganze Region und den gesamten Zeitraum stand. Nach 1947 betrachteten die kommunistische Partei und der rumänische Staat die rumänisch-orthodoxe Kirche zum Beispiel als Bündnispartner, der wegen seiner engen Verbundenheit zur russisch-orthodoxen Kirche zur Erhaltung einer guten Beziehung mit der Sowjetunion beitragen konnte. Diese Beziehung hat sich durch ihren starken Einfluss auch in der Verbreitung der kommunistischen Ideologie als nützlich erwiesen.
Im Gegensatz dazu war die katholische Kirche, die als rechte Hand des Vatikans galt, in Rumänien und den anderen Ländern massiver Verfolgung ausgesetzt. Die verschiedenen Strategien sind auf die unterschiedliche Zusammensetzung der Gemeinden zurückzuführen. Die katholische Kirche hatte ihren Hauptsitz außerhalb des Landes und der Papst wurde als einer der größten Feinde des Regimes angesehen. Obendrein hatten auch bestimmte katholische Orden (Jesuiten, Franziskaner, Salesianer etc.) ihre Zentren in Rom oder in anderen westlichen Ländern, und bargen stets die Möglichkeit einer „schädlichen Einflussnahme aus dem (westlichen) Ausland“. Es ist interessant, in welchem Zusammenhang die diversen Einflussfaktoren mit religiösen Fragen standen. In der Sammlung des kroatischen Staatssicherheitsdienstes zu religiösen Gemeinschaften wird der Kirche eine ethnisch begründete Volksverhetzung vorgeworfen. Auch wenn hier ein stark verzerrtes Bild der Realität vermittelt wird, kann der Zusammenhang von ethnischen und religiösen Differenzen nicht abgestritten werden. Tragendes Beispiel hierfür ist der Fall der türkischen Minderheit in Bulgarien. Er zeigt auch, wie sich die Politik des Regimes gegenüber bestimmten Gruppen im Laufe der Zeit grundlegend ändern kann.
Trotz der unterschiedlichen Ansätze gab es Strategien, die sowohl für das Regime als auch die Glaubensgemeinschaften typisch waren. Die letztgenannten blicken auf eine noch weitreichendere Geschichte kultureller Opposition zurück, in dem religiöse Gruppen in allen Ländern eine wesentliche Rolle spielten. Diese Unterrichtseinheit soll Ihnen dabei helfen, die Strategien gegenüber Religionen und Religionsgemeinschaften zu verstehen, die für das sozialistische Regime typisch waren, und Sie am Beispiel dieser Gemeinschaften mit verschiedenen Formen kultureller Opposition bekannt machen.
Kontrolle und Restriktionen
In jedem der am Projekt beteiligten Länder entwickelte das Regime eine klare Strategie, um die verschiedenen Religionsgemeinschaften zu kontrollieren und in ihrem Handeln einzuschränken. Der Großteil der Institutionen und des Kircheneigentums wurde verstaatlicht, Bildungsmöglichkeiten stark eingeschränkt, die Kirchenpresse überwacht und nicht selten auch die Kirchenhierarchie unter Kontrolle gehalten. Die Machteinschränkung religiöser Organisationen wurde zur Staatsangelegenheit (Bildung, Eigentum in Form von Großeinrichtungen) erhoben und vom Regime als ein Projekt der Modernisierung vorgestellt, das die Trennung von Kirche und Staat vorsah. Anstelle der vorgeschlagenen Trennung übten der Staat und die Partei in Wirklichkeit so viel Kontrolle über die religiösen Organisationen aus, dass diesen so gut wie keine Autonomie mehr gewährt wurde.
Die Freiheit der Religionsausübung wurde ebenso eingeschränkt. Ein weiterer typischer Zug der Restriktionspolitik war die Abschaffung bestimmter Gemeinschaften. Die griechisch-katholische Kirche Rumäniens wurde zwangsweise in die rumänisch-orthodoxe Kirche (vgl. hierzu die Geschichte von Cornea Doina) eingegliedert. In der Tschechoslowakei und den sowjetischen Staaten wurden Mönchs- und Schwesterngemeinschaften katholischer Orden (wie z. B. der Jesuiten, Franziskaner und Salesianer) verboten. Kleinere Gemeinden oder Bewegungen (die häufig als Sekten bezeichnet wurden) waren ebenso illegal (z. B. die Universelle Weiße Bruderschaft in Bulgarien). In Ungarn durften nur drei männliche (Benediktiner, Franziskaner und Piaristen) und eine weibliche Ordensgemeinschaft (Schulschwestern) mit jeweils zwei Konfessionsschulen weiterexistieren.
In anderen Ländern, wie zum Beispiel Polen und Jugoslawien, war es den Orden erlaubt ihre Arbeit – unter gewissen Einschränkungen – weiterzuführen (sie durften z. B. keine eigenen Schulen betreiben). Oft wurden religiöse Gruppen vom Staatssicherheitsdienst überwacht und kontrolliert, und ihre „gefährdenden“ Aktivitäten aktenmäßig erfasst. Beispiele hierfür findet man in Kroatien (in der Sammlung des Kroatischen Staatssicherheitsdienstes) oder auch hier. Interessante Beispiele zu der geheimen Überwachung einer „Sekte“ (christlichen Gemeinde) aus Ungarn befinden sich hier und an dieser Stelle. Die Ungarische Staatssicherheit warb außerdem aus Kreisen der religiösen Vertreter Informanten an und schuf auf diese Weise eine Atmosphäre der Furcht, in der man nicht wissen konnte, ob ein anderes Mitglied oder Oberhaupt Bericht über die Konversationen und Aktivitäten der Gemeinschaft erstattete. Später wurden vor allem in der Konsolidierungsphase in einigen Ländern andere weniger einschränkende Kontrollmechanismen entwickelt. Mit der Wahl von John XXIII schlug der Vatikan einen anderen politischen Kurs ein, in dem er versuchte mit den sozialistischen Ländern zusammenzuarbeiten: Diese neue Tendenz wurde Ostpolitik des Vatikans genannt. Ein Beispiel für die Konsolidierung stellt die Kommission für religiöse Angelegenheiten der Gemeindeversammlung Vikovci dar, welche die Aktivitäten der religiösen Gemeinschaften verfolgte, und später den Dialog zwischen Kirche und Staat förderte.
Nichtsdestotrotz sollte darauf verwiesen werden, dass in anderen Ländern (insbesondere in der Sowjetunion) die Kontrolle nach wie vor in repressiver Form präsent war. Bestimmten Konfessionen wurde das Existenzrecht abgesprochen und sie wurden dazu gezwungen anderen Gemeinschaften beizutreten (wie im Falle der oben genannten griechisch-katholischen Gemeinde in Rumänien oder der Pfingstbewegung, die sich den Baptisten in Lettland anschließen musste, etc.), oder man behandelte sie einfach wie illegale Sekten.
In mehreren Ländern kontrollierte der Staat sowohl die Ernennung als auch die Tätigkeit katholischer Bischöfe. In Ungarn wurde jedem der Bischöfe ein Staatsfunktionär zugeteilt, der vom Staatlichen Amt für kirchliche Angelegenheiten ernannt wurde, und die Aktivitäten des Bischofs überwachte. Im kirchlichen Jargon sprach man auch von „schnurrbärtigen Bischöfen“ (Katholische Priester trugen zu jener Zeit in der Regel keine Schnurrbärte, und der Ausdruck implizierte, dass die Diözese von einem Laien geleitet wurde).
Neben der Kontrolle betrieben der Staat und die Partei antireligiöse Propaganda, um die Kirchen, ihre Vertreter und ihre Religionspraktiken in ein schlechtes Licht zu rücken, und den Anschein zu erwecken, dass diese die Menschen unterdrücken und ausbeuten. Beispiele antireligiöser sowjetischer Propaganda finden Sie hier.
Verfolgung
Kontrolle und Verfolgung gingen Hand in Hand, wenn auch die Grenze häufig schwer zu ziehen war. Zum Komplex der Verfolgung gehörten Todesurteile, Ermordungen, Abschiebungen, Verurteilungen und Folter geistlicher Oberhäupter oder vorstehender Gemeindemitglieder. Einige der Kontrollmechanismen, die im vorangegangenen Kapitel beschrieben wurden, gingen ebenfalls mit Verfolgung einher, wie z. B. die erzwungene Eingliederung der griechisch-katholischen Kirche Transsylvaniens in die rumänisch-orthodoxe Kirche oder die Abschaffung religiöser Orden in der Tschechoslowakei und in Ungarn, die von Deportationen, Umsiedlungen sowie Verurteilungen begleitet wurden. Oft wurden Religiöse Vertreter in Schauprozessen verurteilt. Der berühmteste war József Mindszentys Prozess in Ungarn. Mindszenty war ein starker und unbeugsamer Gegner des kommunistischen Regimes und wurde für viele religiöse Gemeinschaften zur Symbolfigur des Widerstands. Offene Verfolgung ist in den meisten Ländern eher auf den Beginn bzw. die 50er Jahre zurückzuführen. Dieses Dokument gibt zum Beispiel einen Überblick über geistliche Würdenträger, die in Kroatien von 1944 bis 1951 verurteilt wurden. Kleriker und andere führende Gemeindemitglieder wurden verhaftet, gefoltert, deportiert oder auf offener Straße angegriffen. So erging es auch dem slowenischen Weihbischof Anton Vovk, der 1952 von kommunistischen Aktivisten angezündet wurde. Die Verfolgung blieb unverändert stark, insbesondere in den sowjetischen Ländern. Hinrichtungen, Ermordungen und Verurteilungen wurden bis zum Ende der sozialistischen Ära fortgeführt. Jerzy Popiełuszko wurde zum Beispiel noch im Jahr 1984 ermordet.
Koexistenz und Kollaboration
Die unterschiedlichen Strategien der Koexistenz können wie folgt zusammengefasst werden:
- Mitarbeit in bestehenden Institutionen und Organisationen (Kirchen, Schulen, theologischen Fakultäten, geduldeten Kirchenorganisationen und -komitees);
- Pflege des Andenkens, Archivierung (vgl. hierzu das Archiv der siebenbürgisch-sächsischen Kirche und die Sammlung von Emilian Cioran in Rumänien);
- legale (erlaubte) Pressearbeit und verlegerische Tätigkeiten sowie
- Bau neuer Kirchen oder Restaurierung alter, wie z. B. der Schwarzen Kirche in Sibiu.
Die letztgenannte Sammlung gibt Einblick in eine lange und interessante Geschichte, in der unterschiedlichste Strategien des sozialistischen Regimes zurückverfolgt werden können: u. a. Restriktionen, Kontrolle, Toleranz und Kollaboration. Es wird außerdem ein ungewöhnlicher Fall geschildert, in dem das sozialistische Regime einer nationalen Minderheit erlaubte eigene Initiativen zu ergreifen sowie auch stellvertretend für die enge Verbindung von Religiosität und Ethnizität zu stehen.
Die letztgenannte Sammlung gibt Einblick in eine lange und interessante Geschichte, in der unterschiedlichste Strategien des sozialistischen Regimes zurückverfolgt werden können: u. a. Restriktionen, Kontrolle, Toleranz und Kollaboration. Es wird außerdem ein ungewöhnlicher Fall geschildert, in dem das sozialistische Regime einer nationalen Minderheit erlaubte eigene Initiativen zu ergreifen sowie auch stellvertretend für die enge Verbindung von Religiosität und Ethnizität zu stehen.
Einige der religiösen Oberhäupter und Vertreter konzentrierten sich nicht nur auf das blanke Überleben und die Koexistenz, sondern kollaborierten darüber hinaus mit dem Regime (den Staatsbehörden und der kommunistischen Partei). In mehreren Ländern (in Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, Slowenien, Kroatien sowie Bosnien und Herzegowina) wurden zum Beispiel katholische Priesterbewegungen ins Leben gerufen, die das Fundament für den Aufbau einer Landeskirche auf Ortsebene legten, die im Gegensatz zum Vatikan und oft auch den Bischöfen regimeloyal war. Die Motive für den Beitritt waren von Person zu Person unterschiedlich. Es gab Priester, die sich für bestimmte kommunistische Ideen begeistern ließen, oder mit der Partei während des Zweiten Weltkriegs in Kontakt waren. Manche wurden durch Erpressung und Folter dazu gezwungen sich der Bewegung anzuschließen. Andere wiederum traten wegen schlechter Verhältnisse zum Bischof bei. Und schließlich gab es jene, die davon überzeugt waren, dass sie sich dadurch einen gewissen Grad an Autonomie und mehr Raum für kirchliche Aktivitäten verschaffen würden.
Eine weitere Methode der Kollaboration war es, in der Kirche als Geheimagent des Staatssicherheitsdienstes tätig zu sein. Es stellte sich Jahre später heraus, dass mehrere Gemeindeleiter Geheimagenten waren. Obwohl der ungarische Klerus unter den Informanten der Staatssicherheit nicht überrepräsentiert war, sind die in der Datenbank aufgeführten Zahlen beachtlich: Laut dem Archiv der Ungarischen Staatssicherheit wurden insgesamt 1799 Spione aus Kirchen angeworben. “Um 1970 herum setzte sich mehr als 60 Prozent des ungarischen Episkopats aus Informanten zusammen. Mindestens 80 Prozent der Erzbischöfe, die nach 1969 ernannt wurden, waren ebenfalls Spione”. Szilárd Keresztes, der von 1988 bis 2007 Bischof der griechisch-katholischen Diözese war, war früher auch als Informant tätig.
Diese Enthüllungen lösten in der Kirche und Gesellschaft ernsthafte Diskussionen darüber aus, wie der Vergangenheit der Glaubensgemeinschaften, die im sozialistischen Regime gespalten waren, begegnet werden kann. Täter und Opfer der Verfolgung waren Mitglieder in ein und derselben Gemeinschaft. Einige Personen widersetzten sich den Kollaborationsversuchen. Aurel Cioran zum Beispiel weigerte sich mit der Staatssicherheit zusammenzuarbeiten, obwohl diese ihm im Gegenzug erlaubt hätte, seinen Bruder in Paris zu besuchen.
Opposition und Widerstand
In Zeiten von Verfolgung und strenger Restriktionen setzten viele Glaubensgemeinschaften und Führer ihre Arbeit in der Illegalität fort. Ein Leben im Verborgenen wurde für viele Gemeinschaften zur Normalität; so auch im Falle der verbotenen ungarischen Gemeinde junger Calvinisten von Pasarét. Mönche und Schwestern hielten insgeheim untereinander oder mit anderen Gläubigen (inklusive jungen Menschen, mit denen es verboten war zusammenzuarbeiten) ihre Gebete, Treffen und Versammlungen ab. Es wurden illegale Netzwerke mit heimlich ernannten Führern und religiösen Samisdats zu Zwecken der Organisation diverser Aktivitäten geschaffen (z. B. spiritueller Exerzitien, die als Bergausflüge getarnt waren). Diese Netzwerke hatten oft Verbindungen zu ausländischen Zentren und Gemeinschaften, von denen sie Unterstützung erhielten. Möglicherweise hat man versucht mit der „Westlichen Welt“ (und deren Kirchen) zu kommunizieren, doch war das wegen der strengen Grenzkontrolle in der Regel kein leichtes Unterfangen.
Dissidentin Doina Cornea fand eine kreative Lösung für dieses Problem, indem sie versteckt in einer Puppe Texte ins Ausland schmuggelte, in denen die Lebensumstände der griechisch-katholischen Gemeinschaft in Rumänien beschrieben wurden.
Andere Formen geheimer Gemeinden, unter anderem die oben genannte esoterische Gruppe der Universellen Weißen Bruderschaft oder die Türkische Minderheit in Bulgarien (die sich für Menschenrechte und religiöse Rechte einsetzte), blieben ebenso bestehen und führten ihre Arbeit fort.
Es wurden auch neue Gemeinschaften errichtet: in Ungarn der geheime Zisterzienserorden, der von von Ödön Lénárd und Ágnes Tímár ins Leben gerufen, und die Basisgemeinschaft Bokor, die von György Bulányi gegründet und geleitet wurde. Die Letztere war eine vielseitige und bedeutende Gemeinschaft, die eine alternative Form katholischer Glaubenspraxis im Rahmen kleinerer Basisgemeinschaften darstellte. Diese Gemeinschaft stand auch in Opposition zu der örtlichen katholischen Hierarchie und dem Heiligen Stuhl.
Viele der Dissidenten, die mit ihren geheimen Tätigkeiten weitermachten oder Gemeinschaften leiteten, nahmen jahrelange Gefangenschaft, Deportationen oder gar Hinrichtung in Kauf. Ödön Lénárd, der Mitbegründer des Zisterzienserordens von Kismaros, war der am längsten inhaftierte Priester des Landes. Der Schriftwechsel mit seinem Bruder zeugt, über die langen Jahre der Gefangenschaft hinweg, von seinem spirituellen Widerstand.
Rückhalt und Unterstützung bekamen die Widerstandsbewegungen in der Regel aus dem Ausland. Emigrierte Geistliche und einige Organisationen versuchten auf diese Weise religiöse Gruppe politisch zu beeinflussen und religiöse Rechte in diesen Ländern zu propagieren. Die Initiativen aus dem Ausland trafen bei den Gruppenmitgliedern in den sozialistischen Ländern jedoch nicht immer auf positive Resonanz, wie auch am Beispiel der Organisation Aktion des Lichtes verdeutlicht werden kann. Ihr Einsatz für die Gemeinschaften in Lettland wurde von einigen Gläubigen und Geistlichen kritisiert. Man befürchtete, dass sich die Machthaber diese Interventionen zu Nutze machen könnten, um ihre Kontroll- und Verfolgungsmaßnahmen zu verschärfen.
In der Biografie von Áron Márton, dem römisch-katholischen Erzbischof in Rumänien, werden unterschiedliche Formen der Verfolgung, Restriktion und Koexistenz offenbart. Er wurde 1956 unter Hausarrest gestellt, der bis 1967 nicht aufgehoben wurde. Mit seiner Arbeit fuhr er im Laufe der Jahre unentwegt fort und wurde zur Symbolfigur des Widerstands, die es schaffte religiöse und ethnische Barrieren zu überwinden.
Im späten Sozialismus manifestierte sich eine mildere Form der Opposition in Gestalt von basisnahen katholischen Gemeinschaften/Bewegungen, wie zum Beispiel die katholische charismatische Erneuerung oder die Fokolarbewegung. Kleriker und Bischöfe standen diesen Gemeinschaften (ähnlich wie den Basisgemeinschaften) in der Regel nicht feindselig entgegen, obwohl sie von der Kirchenhierarchie relativ unabhängig blieben. Diese Gemeinden stellten im Spätsozialismus mit ihrer weitgehend autonomen Organisationsstruktur Gegenkulturräume dar. Die ungarische Sammlung von István Kamarás bietet detaillierte Einblicke in das Leben dieser Bewegungen und den soziokulturellen und ekklesialen Kontext der 1980er Jahre.
Zum gängigen Verfahren der kulturellen Opposition gehörten heimlich produzierte und vertriebene religiöse Publikationen. Die entsprechenden Beispiele befinden sich in der Sammlung slowakischer Samisdats und der Katholischen Presse in Litauen. Wegen ihrer Qualität weckten religiöse Samisdat-Publikationen nicht nur das Interesse gläubiger Menschen, sondern auch die Aufmerksamkeit vieler Intellektueller. In Rūpintojėlis, der Zeitung des katholischen Oppositionsnetzwerks, gab es zum Beispiel einen Artikel über die Literaturentwicklung im sowjetischen Litauen.
Es gibt noch viele weitere Initiativen, die zeigen, wie regimekritische Intellektuelle in unterschiedlichen Kontexten bei der religiösen Opposition Anschluss fanden. In Litauen schuf Pater Stanislovas einen Ort, der viele Menschen aus Intellektuellenkreisen anzog. Aus seinen Restaurierungsarbeiten und seiner Kulturphilosophie entstand sozusagen eine alternative Realität.
Diese indirekte Widerstandsform (die nicht nur religiös motiviert war) hatte – wie im Falle von Pater Stanislovas Werk – unterschiedliche Ausprägungen. Aktivitäten, die mit (religiöser) Kunst zusammenhingen (wie z. B. die Polnischen Wochen christlicher Kultur und das Künstlerpriestertum) konnten in den Jahren, als das Regime mildere Züge annahm, alternative kulturelle Räume der Autonomie, Freiheit und der Opposition schaffen.
Religiöse Veranstaltungen boten grundsätzlich die Möglichkeit indirekt am System Kritik zu üben. Ein typisches Beispiel hierfür war die Jugendbegegnung von Nagymaros in Ungarn. Sie war zwar ausschließlich religiösen Charakters ohne direkte politische Bezüge, aber sie vermittelte eine Moral, die von der offiziell propagierten abwich, und ermöglichte es – alternativ zur damaligen kommunistischen Jugend – das Gemeinschaftsgefühl einer Jugendbewegung zu erleben.
Aufgaben:
- Sieh dir in der COURAGE Datenbank die Suchergebnisse für den Ausdruck „religiöser Aktivismus“ an und versuche Beispiele für die verschiedenen Strategien zu finden, die in dieser Unterrichtseinheit vorgestellt wurden:
Opposition und Widerstand (geheime Besprechungen, illegale Gemeinschaften, religiöse Samisdats, Märtyrertum, Kommunikation mit der Welt außerhalb der Grenzen, Organisation von Gemeinschaften und Bewegungen);
„weiche“ Opposition (religiöse Bewegungen, die nicht in direkter Opposition zueinander stehen, künstlerische Aktivitäten, Archivierung und Dokumentation); Unterordnung und Kollaboration (regimefreundliche Priesterorganisationen, Spionage innerhalb der Glaubensgemeinschaften, Befolgung der Richtlinien des Staates bei religiösen Angelegenheiten);
“weiche” Zusammenarbeit und Koexistenz (Kommunikation mit dem Staat und der Partei, Dialogführung).
Manchmal können die Aktivitäten unterschiedlichen Strategien zugeordnet werden.
- Finde in der Datenbank Beispiele für religiöse Publikationen und Samisdats aus Ihrem Land. Bereite eine kurze Präsentation über die verschiedenen Publikationen vor. Nutze hierfür auch Quellen außerhalb der Datenbank, und wende in deiner Präsentation das Wissen an, das du dir bereits in der Lektion über Samisdats angeeignet hast.
- Werfe in der Datenbank einen Blick auf die Geschichte der Schwarzen Kirche und erstelle eine kreative, visuelle Darstellung der verschiedenen Strategien, die in der Geschichte genannt werden, sowohl aus der Perspektive des Regimes als auch der Gemeinschaft.
- Sammle aus Ihrem näheren Umfeld (Familie, Freunde und Bekannte) unterschiedliche Meinungen über religiöse Gruppen und ermittle mithilfe deines Lehrers verschiedene Haltungen zu Religion, der Freiheit der Religionsausübung sowie Religionsvielfalt (z. B.: Ablehnung, Achtung vor Wohltätigkeitsaktionen, Akzeptanz der Meinungsverschiedenheit, starke Gruppenzugehörigkeit, Bevorzugung einer religiösen Gruppe, Gleichgültigkeit, Betrachtung von Religion und / oder Religionsausübung als gesellschaftsschädlich usw.). Finde Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen diesen Einstellungen und der Haltung des Regimes gegenüber Religion und religiösen Gruppen.
- Wähle eine Person, die in dieser Unterrichtseinheit vorgestellt wurde (z. B. den verfolgten Mönch, den Kollaborateur, den Märtyrer oder das religiöse Oberhaupt, das nach Koexistenz strebt usw.), und stelle mithilfe der Lehrkraft in einem Rollenspiel eine imaginäre Diskussion zwischen diesen Personen nach. Bereite dich auf das Gespräch mit Argumenten über die Vor- und Nachteile sowie auch die moralische Vertretbarkeit der angewandten Strategien vor. Die Figuren sollten ihre Argumente in einer Diskussion in Gegenwart eines Moderators darlegen.
- Gruppenprojekt: Sammle aus ihrem Umfeld Informationen zu religiösen Gemeinschaften, interessanten Geschichten aus der sozialistischen Ära (mithilfe von Dokumentenanalysen, Interviews, Literaturrecherchen usw.) und erstelle ein Denkmal zur Erinnerung an die religiöse Opposition. Es gibt unterschiedliche Arten von Denkmälern: ein künstlerisches Werk, eine Feier, eine öffentliche Vorlesung, ein runder Tisch, der von Studenten organisiert wurde, eine kleine Ausstellung, ein kleines Theaterstück, usw. Beziehe die Informationen, die du im Herstellungsprozess gewonnen hast, in das Denkmal mit ein.
- Sieh dir diese Sammlung an und finden Sie Darstellungen / Beispiele für verschiedene Strategien, die in der Unterrichtseinheit vorgestellt wurden (siehe oben).
Ideen für H5P Übungen:
- Länder (Regionen) und Religionen paarweise auf der Karte anordnen
- Abbildungen, die Namen und Ländern zugeordnet werden müssen (Mindszenty, Aliulis, Bulányi, Popieluszko, …)
- Fragen als Hotspot-Karten (verbotene Orden: Tschechoslowakei, 8 katholische Schulen: Ungarn, Zusammenarbeit mit der orthodoxen Kirche und Eingliederung in die griechisch-katholische Gemeinschaft: Rumänien, etc..)
- Wörter markieren (die SchülerInnen sollten in einem Text aus der Datenbank die Namen der Konfessionen markieren)
- Personenquiz: Welche Person würdest du dir aussuchen und welche Strategie der religiösen Gemeinschaften würdest du wählen?
- Zeitleisten mit den wichtigsten Ereignissen, die im Text genannt wurden, erstellen
- Wörter in einen relevanten Lückentext aus der Lektion einsetzen